Kurzer Rückblick: Berlin, vor acht Wochen, es war alles noch etwas bunter draußen, fast noch sommerlich warm. Ein sonniger Herbst, immerhin konnten wir noch im Bus campen, als wir die dreitägige Herbstschool der „School of life“ besuchten. Eine tolle Erinnerung, die noch wärmend nachklingt.
Ohne wirklich genau zu wissen, was uns erwartet, haben wir freiwillig die Schulbank gedrückt. Wir waren neugierig. Es ging schließlich um das Leben, konkret um die Themenblöcke Selbsterkenntnis, soziale Kompetenzen, Beziehungen, Genuss, Gelassenheit und um nichts Geringeres, als den Sinn des Lebens. Straffes Programm, keine Frage. Und irgendwie war klar, dass die Themen ihre Wirkung erst nach und nach entfalten können. Vielleicht ein grundsätzliches Charakteristikum schulischer Bildung. So ertappe ich mich immer wieder dabei, dass mir die Bedeutung mancher Lehrplaninhalte oder Lektionen aus der Berufsausbildung erst viele Jahre später einleuchten.
Was mir nicht einleuchtet, warum ich erst Mitte dreißig werden musste, um in einem Herbst explizit Inhalte zum Leben vermittelt zu bekommen. Und so saß ich dort und fragte mich immer wieder:
- Warum brachte man uns in der Schule rauf und runter bei, wie wir Kurven diskutieren, chemische Elemente an Abkürzungen erkennen und (eine meiner kuriosen Lieblingserinnungen, weil ich beim Auseinanderbauen des Gerätes getadelt wurde) wir ein Binokular bedienen, andere Themen aber nicht?
- Warum steht der Umgang mit Emotionen zum Beispiel nicht auf dem Lehrplan?
- Warum hat die Philosophie und Psychologie nur so einen geringen Raum?
- Wieso stehen konkrete Methoden zur Organisation der inneren und äußeren Ordnung nicht mehr im Mittelpunkt?
- Wo ist die tägliche Unterrichtsstunde gewesen, die uns daran erinnert, dass wir hier nur diese eine zeitlich begrenzte Chance haben, uns auf diesem Planten zu entfalten?
- Ebenso kann ich mich nicht daran erinnern, dass mir jemand eindringlich erklärt hat, welche Verantwortung ich mit meinem Konsum für diesen Planeten übernehme?
- Und was ich meinem Körper mit bestimmten Ernährungsgewohnheiten antue?
Berechtigter Einwand: Vielleicht habe ich ja damals gar nicht aufgepasst!?.
Nicht unwahrscheinlich, dass es mir entgangen ist. Ich fürchte jedoch, dass es sich in der Form auch nicht im Lehrplan nachweisen lässt. Und ich möchte meine Schule auch nicht anklagen, denn ich bin mir im Rückblick sicher (wie bereits bemerkt), eine Menge gelernt zu haben. Alle haben ihr Bestes gegeben und das ist – wie so oft im Leben – nicht immer genug. Und sicher ist die Schule des Lebens mehr, als die Schulbank. Eltern, Großeltern und Co. haben natürlich auch einen Job. Aber wir dürfen nicht vergessen, und damit sind sie grob entschuldigt, dass sie logischerweise die Vorläufer dieses Bildungssystems durchlaufen haben. Macht es nicht besser. Rest erklärt sich von selbst.
Aber genau so sicher bin ich mir, dass eine ganze Reihe fehlte.
Ein Fehler im System! Ein Fehler, den wir nur heute nur mit einem Höchstmaß an Selbstverantwortung ausbügeln können. Ein Glück also, dass solche privaten Einrichtungen diese Aufgabe unterstützen, genau so wie eine Unmenge an Literatur, Blogs, Vereine, Gemeinden und Co.
So empfehle ich von Herzen ein freiwilliges Nachsitzen, die Auseinandersetzung mit den genannten Themen und den Besuch solcher unterstützender Angebote. Es ist so wichtig, etwas über sich und andere zu erfahren, weil es das Zusammenleben mit sich und den anderen enorm vereinfacht. Ich habe an drei Tagen so viel verinnerlicht. Hier ein paar Beispiele:
- Vor allem: Die Philosophie ist eine wahre Goldgrube der Erkenntnisse, die seit Jahrtausenden Antworten sammelt, die bis heute Anwendung finden können.
- Es gibt keine „normalen Menschen“, was die eigene Existenz wirklich sehr viel gelassener macht.
- Wir haben täglich die Möglichkeit, etwas zu verändern und uns durch bessere, intensivere Kommunikation mit anderen zu verbinden.
- Andere Menschen haben auch viele Themen im Gepäck, die sehr nah an meinen sind und ich kann mich mit ihnen darüber austauschen und auch ihnen eine Hilfe sein.
- Kunst ist mehr als Dekoration. Viele Kunstwerke haben eine Intention, die sogar Einfluss auf mein Befinden haben kann.
- Es gibt tolle Methoden, die meine eigenen Denkfallen auflösen und mich schneller zurück ins Jetzt holen können.
- Ein gesunder Pessimismus ist manchmal besser als unrealistische Erwartungen aufzubauen (getarnt als vermeintlich gesunder Optimismus), die mich am laufenden Band enttäuschen.
- und noch mehr …
Es waren nur drei Tage. Nicht mehr, als ein verlängertes Wochenende.
Es sind keine Wunder vollbracht worden und die sollte niemand erwarten, wenn er sich dort anmeldet. Dennoch finde ich es wunderbar, dass ich meinen Blick weiter verändern konnte und mich wieder ein kleines Stückchen wohler fühle. Und ich empfinde es ganz nebenbei als ein unbeschreibliches Privileg, dass wir das auch gemeinsam als Paar tun können und wollen.
Zum Beispiel haben wir ein kleines Kartenset/-spiel* mitgenommen, was nun auf unserem Esstisch steht. Mit den Kindern ziehen wir beim Abendessen eine Karte und stellen uns eine dieser Fragen, die wir dann zusammen diskutieren. Die Kinder mögen das Spiel und kommen dadurch mit uns ins Reden über das Leben, ihre Gefühle, Bedürfnisse, Sorgen oder Vorlieben. Vielleicht eine kleine Chance, im Alltag daran zu denken, mehr als ordnungspolitische, systemtreue Lektionen zu erteilen.
Zum Abschluss noch ein Buchtipp:
Die School of life hat (u. a. im Süddeutsche Zeitungsverlag) unterschiedliche Bücher herausgebracht. Bisher habe ich nur eins davon gelesen und kann es uneingeschränkt empfehlen. Wer sich mehr Gelassenheit wünscht, dem sei dieses Buch* absolut empfohlen.
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