Für fünf Tage war ich mit meinen Gedanken in den Bergen. Also ich meine das wörtlich: Ich war in Österreich und habe dort im Kreise mutiger Menschen stressige Gedanken zu Tage gefördert und sie dann überprüft. Der stressigste Gedanke kam mir aber schon von ganz alleine im Vorfeld. Nach der ersten Vorfreude, kam eine Welle diffuser Sorgen:
Klappt das alles? Was, wenn in der Familie jemand krank wird? Kann ich das überhaupt? usw.
Mich ärgerte es, dass ich mich nicht einfach freuen konnte und mein Kopf mit Sorgen übervoll war. Zwischen all den Gedanken kam dann ein alter Bekannter, der Gedanke/Glaubenssatz:
Freu Dich nicht zu früh!
Mir war direkt klar, dass er einen ziemlichen festen Platz in meinem System hat und sich in Varianten unbemerkt breit gemacht haben muss. Bloß nicht zu früh freuen, es kann immer noch etwas kommen, dass Dir die Freude nimmt. Sei Dir Deiner Sache nicht so sicher und sei sicherheitshalber immer auf der Hut. Ja, er hat sogar etwas ausgesprochen Negatives: Freu Dich nicht zu früh, das dicke Ende kommt noch! Vielleicht ist er sogar verwandt mit dem ähnlich fiesen Kollegen: Auf Lachen folgt Weinen! Mit der Umkehrung des Satzes in
Freu Dich nicht zu früh spät!
hatte ich einen echten Aha-Moment. Das fühlt sich viel besser, deutlich wahrer an. Genau, wir sollten uns nicht zu spät freuen. Unsere Freude nicht Aufschieben, uns in jedem Moment freuen, wenn uns danach ist! Nicht bei einer Freude schon mit den Gedanken im nächsten Leid hängen. Es gilt die Freude zu befreien, sie zieht keine Strafe nach sich.
Seit uns das Leben die zarte Bubble der Unverwundbarkeit im letzten Jahr zerplatzen ließ, sehen wir klarer. Es mag platt klingen, oder Euch tief berühren: Das Leben ist so, so kostbar! Und wir haben alle keine Garantie auf irgendwas. Allein deswegen ist eine vertagte Freude eine verdammt schlechte Idee.
Bitte keinen Stress. Der neue Gedanke soll nicht vermitteln, dass wir etwas verpassen könnten. Die Freude ist kein Termin, zu dem wir zu spät kommen können. Wir können sie nur dann verpassen, wenn wir ihr nicht im Jetzt den Raum geben, der ihr in Wahrheit zusteht.
Ich freue mich seit der Geburt unser kleinen Tochter (ja, auch mit all ihren Specials) mehr denn je über ihr und unser Sein. Sie hat schon so viel in uns bewegt, so viel echte Freude in unser Leben gebracht, uns gelehrt unsere Gedanken in Frage zu stellen und so eine Menge Bullshit in unseren Köpfen entlarvt. Ihr Sein motiviert mich zum Dranbleiben. Ich bin niemanden etwas schuldig, aber würde es mir nur schwer verzeihen können, wenn ich unsere gemeinsame Zeit nicht mit Freude (und vielen weiteren ehrlichen Gefühlen) gefüllt hätte.
So bin ich sehr dankbar für diese Erkenntnis und teile sie freudvoll mit Euch. Und wenn ich das nächste Mal aus einem Meeting fliege, weil ich einen Lachflash habe oder den Verkehr aufhalte, weil ich zum Freuen rechts ranfahre, dann habt ihr eine Ahnung warum: Ich will mich lieber einmal zu früh freuen, als zu spät!
6 comment(s)
Bernadette Heinze
Danke, lieber Tim für Deine schönen Worte
Elke Pieper
Fühle mich verbunden. Danke Elke Pieper
Kerstin
Mega schön 🥰 danke lieber Tim
Birgit Böttcher
Wie wunderschön …..
Martin
Schöne Gedanken, mir geht es da sehr ähnlich bzgl. des ersten Teils: immer Angst, sich zu früh zu freuen. Muss ich mal umlernen Viele Grüße Martin
Birgit
Wunderschön zu lesen, lieber Tim..eine ganz herzliche Umarmung an dich u deine süße Familie von mir (Birgit)